Eigentlich ist scheinbar ja ein eher unauffälliges Wort und scheinbar ist eigentlich ebenfalls harmlos. Doch bei näherer Betrachtung ist es eigentlich so, dass der Schein trügt. Ich bin diesen beiden Wörtern schon vor geraumer Zeit auf die Schliche gekommen, weil ich gerne mit Wörtern jongliere.
Jemand fragt, scheinbar harmlos: »Wie geht es dir?«
Und du antwortest: »Ach, eigentlich geht es mir gut.«
Will sagen: Genaugenommen geht es dir total Scheiße!
Macht mal den Eigenversuch, wenn es euch schlecht geht. Dann zu sagen »eigentlich geht es mir gut«, kommt uns trotzdem problemlos über die Lippen. Aber wenn es uns schlecht geht, dann zu sagen »es geht mir gut«, ist wesentlich schwieriger.
Ich werde da immer sofort ganz hellhörig, wenn ich mit neuen Klienten telefoniere und die dann ganz munter sagen: »Ja Frau Weitzels, eigentlich geht es mir ganz gut!« Ich antworte dann immer mit der Bitte, den Satz doch noch mal ohne >eigentlich< zu wiederholen — und Schwupps sind wir beim Pudels Kern. So viel zu den scheinbar harmlosen Fragen.
Dabei wirkt eigentlich so unschuldig. Vielleicht benutzen wir es ja deshalb so gerne, wenn wir bewusst lügen, damit wir uns nicht ganz so schlecht dabei fühlen.
Ich habe mal mein schon sehr altes und dennoch von mir immer noch heiß geliebtes Wörterbuch zu Rate gezogen — und war zugegebenermaßen überrascht! Dort steht, als Beispiel für die Bedeutung des Wortes >eigentlich<, nämlich folgendes: Frauenzimmer bedeutet eigentlich Zimmer oder Raum für Frauen. ….Nur das wir genau genommen im Laufe der Zeit ein Schimpfwort davon gemacht haben. Das steht nicht im Wörterbuch, aber Frauenzimmer ist umgangssprachlich ein Schimpfwort, obwohl es ja eigentlich etwas ganz anderes bedeutet!
Aha, habe ich da so bei mir gedacht. Eigentlich kann eigentlich auch die Wahrheit zutage fördern. Und so gesehen tut es das ja auch — wenn wir eben genau hinhören, was uns jemand sagt und wir die Bedeutung von wandlungsfähigen Wörtern kennen. Denn genau genommen verrät sich der Benutzer des Wortes >eigentlich< schon dadurch, dass er es anwendet und der Hörer weiß, dass der Sprecher wahrscheinlich flunkert.
Also habe ich dem Wort >eigentlich< eigentlich Unrecht getan, als ich es beschuldigte ein Weichmacher für Lügen zu sein. Eigentlich ist >eigentlich< der Verräter der die Lüge enttarnt. Entschuldigung liebes, unbescholtenes eigentlich! Scheinbar tust du auch Gutes.
Aber keine Bange! Ihr könnte das Eigentlich getrost weiterbenutzen, damit euch die kleinen und auch größeren Lebenslügen scheinbar leichter über die Lippen kommen. Denn ersten interessieren sich die meisten Mitmenschen scheinbar eh nicht für die Wahrheit, nach dem Motto »belämmre mich bloß nicht mit deinen Problemen, ich hab‘ genug eigene« und zweitens muss man natürlich auch schon sehr gut zuhören und wer tut das denn noch? Nur wirklich gute Freunde merken, wenn man lügt — und da hilft das Eigentlich dann eh nicht. Ganz ohne scheinbar.
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